Craft-Bier Freunde als Lobbyisten für Einwegdosen?

Als eines der wenigen Länder in Europa hat Deutschland ein bis heute immer noch relativ gut funktionierendes Mehrwegsystem für Getränkeflaschen.

Dessen Totengräber waren bisher ja eher nicht die kleinen Brauereien, die üblicherweise in Standardflaschen abfüllen, sondern jene, die auf Spezialflaschen umgestellt haben um ihr Markenprofil zu schärfen.

Nun ist das traditionelle Feindbild bei Bier-Nerds ja eigentlich recht klar. Kleine Brauereien gelten als Cool, Ableger der Großkonzerne eher nicht 🙂

Daher finde ich es umso erstaunlicher, dass derzeit gerade in diesem Umfeld ein bemerkenswerter Lobbyismus zu Lasten der einheitlichen Mehrwegflasche entsteht.

Dieser Artikel entsteht, weil ich mir am Wochenende in einer örtlichen Craftbeer-Bar entsprechende “Argumente” anhören musste.

Außerdem hat die Fachzeitschrift “Meiningers CRAFT” kürzlich einen ähnlich einseitigen Artikel (leider nicht online) veröffentlicht, den man ebenfalls nicht unwidersprochen stehen lassen sollte.

Auch die Karlsruher Bierblogger von Hoptimizer blasen ins selbe Horn.

Einer der Gründe für dieses “Dosenfreundliche” Umfeld ist vermutlich die Tatsache, dass die USA beim Thema als Vorbild gelten. Was dort richtig ist kann ja bei uns nicht falsch sein!

Die objektive Antwort fällt aber trotzdem ziemlich eindeutig aus. Die Getränkedose ergibt aus umweltpolitischer Sicht keinen Sinn für den (räumlich relativ kleinen) deutschen Markt.

Im Export sieht das sicher anders aus, denn dort gibt es kein Mehrwegsystem und man kann schon froh sein, wenn das jeweilige Verpackungsmaterial der stofflichen Wiederverwendung zugeführt wird.

Nun noch ein paar Widerworte zu den vermeintlich guten Argumenten, die die Befürworter von Dosen für sich verbuchen.

Ich werde im folgenden die 0,33l Longneck Flasche als Vergleichsobjekt verwenden, da sich diese im deutschen “Craft-Bier” Umfeld als Defakto-Standard durchgesetzt hat.

Nehmen wir an ich würde Bier in solchen Flaschen bei einer Brauerei in Hamburg bestellen und mir diese nach Südwestdeutschland liefern lassen. Die Flaschen müssen also rund 600km zurücklegen, bis sie hier in Karlsruhe ankommen. Das stellt innerhalb Deutschlands in etwa den worst-case dar. Im Vergleich zu den USA, wo diese Entfernung schon mal das achtfache betragen kann, nicht ganz unerheblich. Mal ganz abgesehen davon, dass es in den USA kein herstellerunabhängiges Mehrwegsystem gibt.

Fakt ist zudem, dass die Flasche aus meinem Beispiel zur erneuten Befüllung normalerweise eben gerade nicht zurück nach Hamburg muss! Viel wahrscheinlicher ist stattdessen, dass die Flasche hier in Karlsruhe z.B. mit Hoepfner Pilsener, welches die selben Flaschen verwendet, neu befüllt wird.

Mission accomplished! So sieht ein funktionierendes Mehrwegsystem aus.

Bei Bier, das hier aus dem Südwesten stammt, wie z.B. das vom Hopfenstopfer aus Bad Rappenau, ist die Ökobilanz selbstredend noch erheblich besser.

Der vermeintliche Vorteil der Getränkedose greift also nur im Vergleich zu Einwegflaschen, die schwerer sind als Dosen und dadurch bei weiten Transportwegen im Nachteil.

Für Mehrwegflaschen ist die Ökobilanz durch die Widerbefüllung selbst bei diesen Entfernungen günstiger. Details hierzu kann der geneigte Leser bei der deutschen Umwelthilfe nachlesen.

Auch das zweite Argument für die Dose, dass diese die Qualität vermeintlich länger hält kann man so nur bedingt stehen lassen.

Klar ist UV-Strahlung den Geschmack abträglich, aber davor schützt die braue Farbe der Mehrwegflaschen ebenfalls hinreichend.

Falls das so ein wichtiges Argument wäre müssten die Brauereien, die in Dosen füllen noch viel dringender über eine geschlossene Kühlkette bis zum Verbraucher nachdenken.

Ein Konzept im übrigen, welches Braufaktum AFAIK als einizger Hersteller konsequent durchzieht.

Positiv erwähnen möchte ich an dieser Stelle noch die Brooklyn Brewery, die ihr Bier in Deutschland über ihren Vertriebspartner in 0,33l Longneck Mehrwegflaschen abfüllen lässt.